Ein Licht aus der Tiefe des Schattens oder Das Verbrechen des begründenden Augenblicks
Die Beziehung des Tabubrechers Caravaggio zu Gewalt und Verbrechen – und in welcher Weise sie in seiner Kunst Verarbeitung fand
Literarische Nachforschungen um den Mythos Caravaggio, gelesen und erzählt von Barbara Engelmann
Dass Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio, die Malerei in eine neue Ära geführt hat, ist heute wohl unumstritten. In seiner eigenen Zeit hingegen war seine Art zu malen umso umstrittener. Tatsächlich soll er laut seiner Biographen die Absicht vertreten haben, mit seiner künstlerischen Umsetzung der Realität und der Suche nach Wahrheit in der Malerei dem Manierismus etwas entgegenzusetzen und so den Weg zu einem neuen Erleben von Kunst zu öffnen. Kompromisslosigkeit und Tabubrüche waren bestimmend für seine Lebensführung. Er geriet seit seiner Jugend nahezu chronisch in Konflik
t mit dem Gesetz, musste sich in Prozessen verantworten, verbrachte immer wieder Zeiten im Gefängnis und war zunehmend in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt, was schließlich zu einem vom Papst unterzeichneten Todesurteil führte. Seine letzten Jahre verbrachte er an verschiedenen Orten, auf der Flucht vor dem Urteil. Das was seinen eigenen Lebensstil prägte, lässt sich durchaus auf seinen unbändigen Hunger nach Wahrhaftigkeit zurückführen, den er dann auch ebenso kompromisslos in seinem Werk zum Ausdruck brachte: das was bei seinen Gegnern Anstoß erregte, war nicht so sehr seine neuartige Technik, sein Umgang mit Licht und Schatten, sondern die Schönheit der Wahrhaftigkeit, mit der er die Leere der idealisierenden Darstellungsweise des Manierismus entkräften wollte. Aber das machte ihn verdächtig und unbequem – und so wurden schließlich seine eigenen Mittel, seine eigenen Waffen genutzt, um ihn „außer Gefecht“ zu setzen.
Der Mythos um die Person des Genies Caravaggio hat Schriftsteller und Dramaturgen immer wieder fasziniert. In einer „gestalteten Lesung“ werden (zwei) literarische Beispiele vorgestellt, die die Beziehung des Malers zu „Hieb und Stich“ verdeutlichen, aber auch ganz einfach zur menschlichen Natur, zur „ehrlichen Schönheit, der Laster und Schmutz nichts anhaben können“: „Ich will die Dinge ergründen und dazu muss ich gültige Gesetze übertreten… Wie könnte ich die Opferung Isaaks malen, wenn ich nicht wüsste, wie man ein Messer führt?“